Beim Vortrag über die Wallfahrtsgeschichte zur hl. Ottilie auf den Kollmitzberg wartete am Dienstag, den 17.6. Regionshistoriker Prof. Dr. Heimo Cerny mit gleich 2 kleinen geschichtlichen Sensationen auf: Bisher unbekannte Schriftstücke aus dem Archiv des Schlosses Seisenegg belegen eine Erwähnung des Kollmitzberger Kirtags bereits im Jahr 1516. 2014 ist es somit nicht der 432. sondern bereits der 498. Kirtag am Panoramaberg. Das bedeutet wohl eine Vorverlegung des 500. Kirtagsjubiläum um gleich 66 Jahre!!! Und aus der Rotte Innerzaun vermeldete Cerny den Fund eines neolithischen Steinbeils. Dies weise auf eine über 5000 jährige Besiedelungsgeschichte in diesem Ortsteil hin!
Zum Hauptthema des Abends – der Wallfahrt auf den Kollmitzberg – führte Cerny aus, dass diese so richtig um 1588 begonnen hätte. Ausgegangen sei dies damals von einer Rekatholisierung nach der Reformation. Die Gründung einer sogenannten Rosenkranzbruderschaft am Kollmitzberg – betrieben von den Priestern in Stift Ardagger – sei in diese Zeit gefallen. Die Ottilienkirche am Kollmitzberg selbst sei übrigens schon noch viel früher um 1260erfolgt. Eine Parallel sei dazu in den Raum Passau zu finden, wo ebenfalls in Ergänzung zu einem Chorherrenstift eine Ottilienkirche begründet worden sei.
Nachdem die Ottilienkirche am Kollmitzberg (es gibt in Österreich übrigens nur eine einzige weitere Ottilienkirche) vom nahen Stift Ardagger aus betreut worden war, gab es lange keinen eigenen Pfarrhof. Erst mit größerer Intensität wurde 1748 ein Pfarrhof (damals in einem Bauernhaus) gestiftet. Und das war auch die Zeit der intensivsten Wallfahrt. Hunderte, ja teilweise tausende Pilger waren laut Prof. Cerny zu den “Spitzenzeiten” unterwegs. Übernachtet hätten sie in den umliegenden Bauernhöfen und sogar direkt in der Kirche, was auch zu Konflikten mit der “Amtskirche” geführt hat.
Und die Wallfahrt auf den Kollmitzberg sei auch ein Geschäft gewesen: “Wachsaugen” zur Opferung wurden verkauft und auch Lebzelter standen im Friedhofsbereich. Die Konkurrenz dazu waren jungen Bauernburschen, die ausserhalb der Friedhofsmauern ihre eigenen Erzeugnisse absetzten und die traditionellen Verkäufer sogar zur Tätlichkeit veranlassten.
Einige Male in der Kollmitzberberger Wallfahrtsgeschichte wird auch von Heilungen und Linderung bei Augenleiden berichtet. Ein habe 1803 stattgefunden und die u.a. seien auch dokumentiert. Von einem eigenen Augenbründl am Berg sei allerdings in der Geschichte nichts überliefert. Das wäre wohl eine Entwicklung der jüngeren Geschichte.
Die “Neudatierung” des Kirtags sei übrigens aus einem Streitpapier über die Einnahmen aus einer marktwirtschaftlichen Aktivität am Kollmitzberg zu entnehmen. Der Probst von Ardagger und der LAndrichter setzten sich in diesem Papier über dei Höhe der Abgaben für die Stände “von altem Herkommen” und den Gebühren für die “Kuchl” auseinander. Damit sei sogar möglich, sagte Cerny, dass die Kirtagsaktiväten sogar schon noch früher begonnen hätten.
Und abschließend reflektierte Cerny auch noch zum Begriff “Schusterkirtag”. Dieser stamme aus der Zeit der Franzosenkriege. Monatelang hätten die Franzosen damals den Kollmitzberg beraubt und u.a. auch Schuhe entwendet. Damit war die NAchfrage nach Schuhwerk groß, sodass sogar vom Mühlviertel die Schuster gekommen seien, um am Kirtag Schuhe zu verkaufen.
Hier das Manuskript des Vortrages:
>> 1.Teil: vortrag kollmitz a;
>> 2.Teil: vortrag kollmitz b
Im Anschluss an den Vortrag und auch die Diskussionen rund um die neuen Erkenntnisse gab´s auch noch eine schriftliche Zusammenfassung des Vortrages von Prof. Dr. Cerny wie folgt per Mail vom 27.6.2014:
Lieber Herr Bürgermeister!
Wie versprochen, übermittle ich Dir mein Kollmitzberger Vortragsmanuskript zu Deiner Verwendung. Im Anhang noch ein Foto der neolithischen Lochaxt von Innerzaun.
Die wichtigsten historischen Fakten zum Kollmitzberg auf den Punkt gebracht:
- Kollmitzberg (1135 Chalmunze) zählt zu den ältesten Ortsnamen Niederösterreichs. Er geht auf eine kelto-romanische Wortbildung (* kalamantia) zurück, die von bairischen Siedlern im 9. Jh. übernommen wurde. In sprachgeschichtlicher Beleg dafür, dass der Ort bereits in vorrömischer Zeit besiedelt war und eine Schutzfunktion („geschützter Platz am Berg“)
- Ärchäologischer Befund (Lochaxt Innerzaun) belegt Rodungstätigkeit in der Jungsteinzeit (3000 v.Chr., „Ötzi-Zeit“)
- Als Wallfahrtsort im Mostviertel hat der Kollmitzberg eine weitaus ältere Tradition als der Sonntagberg:
- 1260 wird bereits eine „ecclesia in Challmunz ad sanctam Ottiliam“ erwähnt.
- Am Sonntagberg ließ Abt Benedikt von Seitenstetten erst 1440 eine Kapelle errichten.
- Der Name „Sumtagperg“ wird erst 1484 erstmals urkundl. erwähnt.
- Kollmitzberg ist heute der einzige Ottilienwallfahrtsort in ganz Österreich.
- Im „Bereitungsbuch der Zufluchtsorte“ (um 1590) wird der Colmansperg von der kaiserlichen Regierung als „Kreidfeuerplatz“ verordnet. Hier musste Reisig und Holz gelagert werden, um bei Türkeneinfällen weithin sichtbar die umliegende Bevölkerung mittels Feuer- oder Rauchsignalen rechtzeitig zu warnen.
- Der Kollmitzberger Kirtag ist in Zusammenhang mit der Wallfahrt urkundl. 1516 erstmals dokumentiert und kann daher als der nachweisbar älteste (und längst auch größte) Kirtag des Landes NÖ bezeichnet werden!
Kurzum: Kollmitzberg ist ein Ort mit einigen Superlativen. Und daher einer eingehenden Publikation würdig!
… schreibt Prof. Dr. Heimo Cerny